Trauma-Symptome

Die Symptomatik durch Traumatisierungen ist sehr vielgestaltig. Sie entsteht durch weiterwirkende Reste von Kampf, Flucht und Erstarrung. Die Symptome treten oft erst eine Weile nach dem auslösenden Ereignis schleichend auf und werden dann meist nicht als Traumafolge erkannt. Manchmal kommen die Symptome erst Jahre oder sogar Jahrzehnte später wieder zutage, wie viele Kriegstraumatisierungen. Oft werden die Symptome auch ausgelöst durch eine unbewusste Reaktivierung des Traumas, wenn z.B. eine dem Trauma ähnliche Situation auftaucht, sei es im eigenen Leben oder in der Verwandtschaft oder Nachbarschaft. Diese sogenannten "Trigger" können im äußeren liegen, wie ein bestimmter Geruch, ein bestimmter Anblick, ein Folge von Ereignissen oder ein Geräusch, sie können aber auch im Körper selbst liegen, z.B. Atemnot durch eine schwere Bronchitis, oder ein bestimmter Grad innerer Erregung, oder ein bestimmter emotionaler Zustand.

Symptome, die u.a. mit Traumatisierung in Zusammenhang stehen können:

- häufiges Gefühl der Überforderung

- Konzentrationsschwierigkeiten

- Desorientiertheit in Raum u. Zeit

- Anfälligkeit für Unfälle oder Missgeschicke

- Gefühl der Lähmung, Erstarrung

- Unverbundenheit mit sich und der Umwelt

- immer wiederkehrende Fantasien oder Erinnerungen belastender Ereignisse

- Angstzustände, Panikattacken

- chronische Erschöpfung und Schlafstörungen, "Ausgebranntsein"

- Schmerzzustände ohne med. Befund

- Übererregbarkeit oder Apathie

- Wutausbrüche, Übervorsichtigkeit, Panikattacken

- Gefühle der Ohnmacht, körperliche Ohnmachtsanfälle

- Arbeitswut oder Rückzugstendenz

- häufige geistige Abwesenheit, "Tagträumen", Gedächtnislücken

- Suchtverhalten auf allen Ebenen

- chronische Beziehungsprobleme

 

Traumafolgen

Wiedererleben

Eines der belastendsten und häufigsten Symptome ist die Wiederkehr von Erinnerungen, denen wir uns nicht entziehen können. Sie sind anders als gewöhnliches Erinnern. Man erlebt es wieder. Man ist wieder darin. Es ist "jetzt", es ist "wie damals", und es gibt keinen inneren Abstand dazu, man ist mitten drin. Diese "Flashbacks" sind zwingend, einmal darin, kann man es willentlich kaum oder nicht abstellen. Ausgelöst wird die Wiederkehr des Traumaerlebens durch Reize, die uns vielleicht nicht einmal bewusst werden, äussere Wahrnehmungen oder auch innere Prozesse. Die Kontrolle dieser in das Normalbewusstsein eindringenden Erinnerungen ist ein sehr wichtiger Teil der Psychotherapie.

Wut

Im Trauma werden die persönlichen Grenzen verletzt, das vitale Eigeninteresse des Organismus wird geschädigt. Die normale Gegenreaktion auf verletzte Grenzen besteht in Aggression, um die Grenzen zu wahren oder wiederherzustellen. Die Aggression dient der Integrität der Person, ist der natürliche Impuls zur Selbstverteidigung. Da dies im Trauma nicht gelang, bleibt die Wunde offen, und Wünsche nach Rache oder Wiederherstellung spiegeln die fortdauernde Aggression. Wenn das Gefühl da war, dass das Trauma zu Unrecht erlitten wurde, dass es falsch war was geschah, wenn eine Ungerechtigkeit darin erlebt wird, dann wird sich die Wut z.B. im Kampf um Gerechtigkeit äussern. Wut kann global aktiviert sein und einen Menschen sehr aggressiv werden lassen, so dass er sich leicht gekränkt, angegriffen oder verletzt fühlt und da heraus aggressiv wird, sie kann auch gelenkt werden in verbissene, kämpfende, um etwas ringende Kraft, die zur allgemeinen Lebensbewältigung beitragen kann, die ermöglicht, aussergewöhnliche Dinge zu erreichen.

Ohnmacht

Die Ohnmacht ist das Kernstück der traumatischen Erfahrung. Sie ist die erlebte Erkenntnis der Überwältigung, das hineinfallen in die Hilflosigkeit, in das Ausgeliefertsein. Sie macht schwach, sie lähmt; in ihr ist nichts mehr machbar, nichts mehr möglich. Sie ist eine der schrecklichsten Erfahrungen, die Menschen kennen, und so tun Menschen fast alles, um diesen Zustand nicht (wieder) zu erleben. Wenn Ohnmacht aktiv ist, wird die Lebensenergie des Menschen erlahmen; Impulse kommen nicht zustande; Verfolgung von Zielen, selbst die Formulierung von Zielen sind zuviel, werden als unmöglich erlebt; diese Unmöglichkeit wiederum wird als Qual erlebt. Die eigenen Kräfte stehen nicht zur Verfügung, das Leben mit seinen Wendungen wird erlitten, nicht gestaltet.
Die Ohnmacht kann transformiert werden, wenn sie angenommen und durchlebt werden kann; allerdings in einer Weise, die annehmbar ist, in einer Situation, in der die anderen schwierigen Aspekte der traumatischen Erfahrungen bereits bewältigt sind.

Angst

Die Erfahrung der Überwältigung, der Unmöglichkeit sich zu schützen oder zu wehren hinterlässt im Gefühl der Sicherheit, dass das Leben geschützt ist, und in der Selbstsicherheit, das Leben aktiv führen zu können, einen anhaltenden Schaden. Dieser wird innerlich erlebt; er wirkt sich aus, in dem geschwächten Selbstzutrauen, in dem Gefühl des Ausgeliefertseins. Es ist im Grunde die erlebte Ohnmacht, die anfällig macht für die Zukunft, die verunsichert. Dies ist der Nährboden für konkrete und diffuse Ängste, die sich ausweiten können bis hin zur Panik, bis hin zur Unmöglichkeit das Haus zu verlassen, besonders wenn "Kampf" nicht zur Verfügung steht. So ist der "Kampf" die Gegenkraft zur "Angst"; und beide können gleichzeitig präsent sein. Angst führt zur Erfahrung von weiterer Schwäche und von weiterem nicht-können, sie vermag sich so selbst zu erhalten und zu verstärken.

Dissoziation

Ein wesentliches Element von Trauma ist die innere Abspaltung. Sie rettet uns in der Situation vor Schmerz und Gefühlsüberflutung. Da mag das Gefühl sein, zu schweben, in Zeitlupe wie von aussen zu beobachten, wie da jemandem etwas geschieht, und dieser jemand scheint ein ganz anderer zu sein. Der Körper kann wie ein unbelebter Gegenstand erlebt werden, und beim Versuch wegzulaufen merkt man das gebrochene Bein erst daran, dass man stürzt und man sieht, dass das Bein vielleicht einen komischen Winkel annimmt, verspürt aber keinen Schmerz dabei. Normalerweise bilden sich diese Reaktionen allmählich zurück.
Wenn die Dissoziation jedoch andauert oder sich durch wiederholte Traumatisierungen als gewohnheitsmäßiger Schutz etabliert, kann sie unterschiedlichste Formen annehmen und ist in der Therapie oft besonders schwer zu bearbeiten. Starke Dissoziation findet sich oft bei früheren Störungen (während der Schwangerschaft, unter der Geburt, in den ersten Lebensjahren) und bei multiplen Traumatisierungen im familiären Feld, daher geht es hier oft auch um Fragen der Bindung, des Miteinanders, überhaupt darum, "selbst jemand eigenes zu sein". Abgespalten wird, was unaushaltbar intensiv und schrecklich ist und was im Kontext der Familie bzw. der Gewaltsituationen nicht sein darf und bedroht oder bestraft wird. Die Abspaltung kann in Somatisierung bestehen, d.h. aus dem ursprünglichen Gefühl oder Impuls wird ein Körpersymptom, das rätselhaft oder unverständlich scheint, wie etwa psychogener Schmerz oder anscheinend eigenständige Bewegungsimpulse. Auch in Zwangsgedanken werden sich gewöhnlich abgespaltene Impulse und Gefühle finden. Bei Dissoziation ist im Unterschied zur Verdrängung die Abspaltung "zwingender", vom Betroffenen selbst nicht mehr heraufholbar, das Abgespaltene wie fremd. Abgespalten kann auch der Körper sein, der dann bis zur Schmerzlosigkeit taub ist. Dies kann ein Motiv sein, sich zu "ritzen", also den Körper zu schneiden oder verbrennen, um wieder etwas körperliches spüren zu können und so kurzfristig die Dissoziation aufzuheben. Auch Anhänger von Extremsportarten oder Menschen mit ausgeprägtem Risikoverhalten können, neben der Adrenalinabhängigkeit, auf der Suche nach Wiederanbindung sein, um sich wieder ein Stück spüren zu können. Die Abspaltung betrifft häufig den emotionalen Bereich, so dass kaum oder gar keine Gefühle empfunden werden, obwohl sie häufig offensichtlich da sind: in der Mimik, dem Körperausdruck, nicht jedoch im bewusst wahrgenommenen Erleben. Bei starker Ausprägung geht der gefühlte Bezug zum "Selbst" verloren, zum "das bin ich". Man spricht dann von Depersonalisation. Bei der Derealisation geht darüber hinaus der erlebte Bezug zur gegenwärtigen Realität verloren, Betroffene sind wie "nicht da", "abwesend", äußerlich vielleicht wie in einem Tagtraum, in diesem aber mehr oder weniger gefangen.

Artikel über Strukturelle Dissoziation

Schuld

Bei vielen Traumatisierungen spielt im nachhinein das Gefühl der Schuld eine Rolle. Es hat verschiedene Quellen. Eine ist das Gefühl der Schuld, nicht genügend gewesen zu sein, genügend entschlossen, genügend stark, genügend klar, genügend schnell, um dem Verhängis auszuweichen. Diese Schuld ignoriert und verleugnet die Ohnmacht, wie sie tatsächlich bestanden hat. In der Schuld liegt auch eine Übernahme von Verantwortung, die man real so in der Situation nicht hat haben können; sei es, dass zum Beispiel ein Kind zu schwach und zu naiv war, um dem missbrauchenden Erwachsenen etwas entgegenzusetzen, sei es, dass die Naturgewalt einfach zu gewaltig war, um ihr zu widerstehen. In der Übernahme von Verantwortung liegt auch eine Art scheinbarer Macht über die Situation im Nachhinein, als wäre es möglich gewesen, wenn nur... . Damit wird der Situation scheinbar eine Alternative zur Seite gestellt, die aber innerlich weitgehend wirkungslos bleibt; jedoch wird zum Teil die Ohnmachtserfahrung vermieden.
Häufig wird die Schuld auch von aussen zugeschrieben, z.B. vom Täter selbst, der dem Kind die Schuld zuschreibt für das, was er tut, um das Kind dadurch zu verwickeln und zu lähmen, es gefügig zu machen, es mundtot zu machen, wie dies ja auch in alltäglichen Beziehungen regelmäßig geschieht. Der Täter kann so gleichzeitig die Übernahme der Verantwortung für sein Tun von sich weg verschieben und sich von seiner eigenen Schuld abspalten.
Schwer zu überwinden ist auch die Überlebensschuld: wenn andere gestorben sind. Dann ist oft das Gefühl da man hätte es nicht verdient gehabt zu überleben; man hätte ebenfalls sterben müssen; man hätte statt eines anderen sterben müssen. Jedoch liegt das nicht in unserer Macht. In dieser Schuld stellt sich derjenige auf die Stufe des Schicksals, das für uns die Entscheidung trifft, ohne uns eine Begründung zu geben, ohne eine Erklärung, eben anscheinend wahllos, zufällig. Das ist schwer zu akzeptieren.

Trauer

Trauma ist Verlust. Verlust der Unschuld; Verlust eines Lebens, das hätte geführt werden können und nun nicht mehr geführt werden kann; Verlust von inneren Lebenskräften, oft auch Verlust an Sinneserleben und Körperwahrnehmung, Verlust an innerem Lebensfluss und Freude. Es kann gar das Leben selbst sein, das verlorengeht. Solange keine Traumabewältigung stattfindet, gibt es auch keinen Ausgleich für den Verlust. Das ist bei der Geburt (im guten Falle) anders: wir verlieren die Geborgenheit der Gebärmutter, gewinnen aber eine reiche Welt der sinnlichen Erfahrung, der Anregung, und auch der Handlungsmöglichkeiten. Im Trauma dagegen wird nur der Verlust erlebt. Dazu kommen möglicherweise verlorene Menschen, wenn auch andere betroffen waren und nicht überlebt haben, verlorene Beziehungen, die nicht mehr gelebt werden können, weil der Traumatisierte "ein anderer" geworden ist (ein Tsunami-Opfer: da kommst du anders raus als du reingegangen bist). Auch verlorene Gesundheit und körperliche Unversehrtheit machen eine Rückkehr ins Leben schwer: es wird immer wieder gesehen, was nicht mehr da ist, nicht das, was noch da ist.
Wenn es gelingt, Trauer durchzuarbeiten und die im Trauma gefangenen Teile zu befreien, dann kann das Leben wieder genommen werden, es kann neues Leben entstehen, sogar ein weiteres oder größeres Leben als das Leben vor dem Trauma. Dann kann ein Zugewinn entstehen, ein Hinauswachsen über alte Grenzen und Begrenzungen. Auch das Leben selbst kann wiedergewonnen werden, denn der allerinnerste lebendige Teil kann niemals sterben, obwohl es sich oft so anfühlt, wenn er verloren scheint. Wenn das Neue genommen werden kann, kann auch das Alte betrauert und losgelassen werden.

Verleugnung

Um die eigene Betroffenheit bei kritischen Themen unter Kontrolle halten zu können, ist dieses Werkzeug oft wichtig. Um eine Illusion aufrecht zu erhalten, dass es alles doch nicht so schlimm war, wird häufig geleugnet, dass die traumatischen Ereignisse Folgen hatten. Man glaubt daran, alles gut verwunden zu haben und unbeeinträchtigt durchs Leben zu gehen, "schließlich habe ich es ja überlebt." Oft wird auch verleugnet, dass es einem was ausgemacht hat, dass es einen im Kern getroffen hat. Man schaut darauf zurück, als hätte man kaum Gefühle oder Beeinträchtigungen erlebt. Häufig wird sogar verleugnet, dass überhaupt etwas geschehen sei. Vielleicht habe man sich das nur eingebildet oder geträumt. Oder "das Ganze" wird schlicht vergessen. Fragt man vielfach traumatisierte Menschen nach ihrer Lebensgeschichte, werden sie vielleicht ein positives, freundliches Leben mit hilfreichen Eltern schildern. Dass der Vater Alkoholiker war und häufig die Frau schlug, dass man mal vom Pferd gefallen ist und einen Wirbelbruch davongetragen hat, und drei schwere Autounfälle nur knapp überlebt hat erfährt der Therapeut vielleicht erst viel später, sozusagen nebenher, wenn er nach den körperlichen Beschwerden fragt. Das alles ist ein normaler Schutz des Selbst. Zu realisieren wie es wirklich war - oder ist - wäre unerträglich. Dieser Schutz muss, wenn es überhaupt möglich ist, respektvoll und langsam abgetragen werden.

Zukunftsangst und Pessimismus

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass Betroffene in zumindest einem Teil ihrer selbst noch im Trauma leben, das Trauma also gegenwärtig, Gegenwart ist, dann wird verständlich, dass eine Distanzierung nicht möglich ist, und damit auch kein hinter-sich-lassen. Es dauert an, und, so die innere Überzeugung oder Furcht, es wird wiederkommen. Das macht wenig Mut, in die Zukunft zu sehen. Vielleicht wird der Betroffene genau das vermeiden, oder er denkt immer darüber nach, auf der Suche nach Lösungen, aber in der mehr oder weniger deutlichen Erwartung, keine zu finden. Es wird befürchtet, da sind Ängste, man rüstet sich, denkt besser nicht drüber nach, was alles passieren kann; Projekte anzufangen, Zukunftspläne zu schmieden, sich auf den neuen Tag zu freuen oder das nächste Jahr fällt schwer. Oft haben sich Glaubenssätze gebildet: "Immer wenn es mir gutgeht, wird wieder etwas schreckliches geschehen." "Immer wenn meine Wachsamkeit nachlässt, passiert etwas." Konsequenterweise wird man sich dann weder wohlfühlen noch in der Wachsamkeit nachlassen. Vertrauen zu finden in die Zukunft wird dann selbst als Risiko erlebt. Es erscheint in diesem Zusammenhang wie Naivität oder Weltfremdheit: "Nach allem was ich erlebt habe, weiss ich, was los ist." Wer dieser Skepsis gegenüber der Zukunft widerspricht, wird vielleicht eine Mischung auf Ärger, Wut und Verachtung hervorrufen. Vernunftsgründe zählen da nicht und werden auch sofort weggewischt, gelten nicht.

Todesnähe

Der letzte organismische Ausweg im traumatischen Ereignis ist die Erstarrung. Diese beinhaltet mehr, als die körperliche Starre und die Abstumpfung der Körpersinne als Schutz vor dem erwarteten Todesbiss (um in der Sprache des Stammhirns zu sprechen). Die seelischen Kräfte kommen zum erliegen und der Organismus bereitet sich auf den erwarteten Tod vor. Das Selbst oder die Seele beginnen, sich vom Körper zu lösen, manchmal kommt es zu einem Nahtod-Erlebnis. Es ist wie ein Übergang in jenes andere Reich der Existenz. Wenn Teile von uns dort verbleiben, so sind die Betroffenen ein Stück im Übergang zum Tode, einiges von ihnen ist dem Tode näher als dem Leben. Manchmal vermag das Leben - in Form von menschlichen Beziehungen und Begegnungen, in einem tiefen inneren Ratschluss oder einer tiefen Natur- oder Lebenserfahrung - die innere Starre zu brechen, in der die Menschen von sich sagen, sie seien eigentlich schon tot, sie sehnten den Tod herbei, seien nur noch auf Abruf hier, sie seien wie eingekapselt in einer inneren Wüste oder fühlten sich wie ein Stein. Dann kann das Leben wieder einströmen, der schon fast gegangene Teil kann seine Richtung wechseln und zurückkehen in die Risiken, aber auch Freuden des Lebens. Oft aber wagt der traumatisierte Teil sich nicht, die relative Sicherheit und Unverletzlichkeit der Todesnähe zu verlassen, bis sich die Bedingungen im Leben zeigen, die dieses Wagnis unterstützen und begleiten. So ist es Aufgabe von Traumatherapeuten, wie die heutigen oder früheren Schamanen nach verlorenen Seelenteilen zu suchen und diese zurück ins Leben zu geleiten.

Fixierung und Reinszenierung

Die Tierliebhaberin, die jede Katze aufsammelt, die herrenlos durch die Welt streunt, obwohl sie schon über fünfzig zu Hause hat; der beziehungssüchtige Mann, der von Frau zu Frau geht, ohne zu finden, was er unbewusst sucht; die Frau, die sich gegen jeden Hauch von Unrecht auflehnen muß egal was es sie kostet; der ewig bollerige Kriegsveteran, dem seine Kinder es niemals recht machen können und der an allem noch was zu nörgeln hat. Sie sind einige mögliche Beispiele dafür, daß traumatische Erfahrungen die Erlebniswelt eines Menschen ebenso wie sein Verhalten binden. Aus dem Trauma heraus ist das damals wichtige auch im heute von überragender Bedeutung und verdrängt alle anderen Aspekte. Den betroffenen selbst wird das häufig nicht bewußt, und wenn, so können sie die Beschränkung doch nicht überwinden. Meist fällt es der Umgebung viel mehr auf, die über so viel Unvernunft den Kopf schüttelt und verständnislos immer wieder versucht, den anderen zu überzeugen, bis die Resignation siegt und man es hinnimmt. Trauma ist wie ein Knoten, in dessen Themen der Mensch hineingeknotet ist, über den er nicht hinausschauen kann. Er findet immer wieder Anknüpfungspunkte für "seins" und immer wieder Beweise, wie wichtig das doch ist und warum man das unbedingt so sehen und machen muß. Neben dem gefangen sein steckt in diesem hartnäckigen Verharren aber häufig auch die aktive Suche nach der Lösung; das wieder und wieder hineingehen, aus dem inneren Drang heraus, dem Ereignis dieses mal eine bessere Wendung zu geben. Aber selbst wenn es gelingt, kann es oft nicht verinnerlicht werden, und das Karussell wird erneut gedreht, in scheinbar ewiger Wiederholung desselben Konflikts. Darin steckt auch Suche und Kampf, Energie, sich befreien zu wollen. Im übertragenen Sinne sind auch dies Formen des "Wiedererlebens".

Alkohol- und Drogenmissbrauch

Da der Leidensdruck durch die Symptome extrem hoch sein kann, kommt es häufig zum Versuch der Selbstmedikation durch Alkohol oder andere Drogen. Speziell Alkohol dämpft die Neigung zu unerwünschten "Flashbacks" und gleichzeitig das allgemein hohe Erregungsniveau. Je nach Typ der Traumatisierung können auch aufputschende Medikamente oder Drogen gesucht werden, um wieder mehr Gefühl von Lebendigkeit zu erlangen. Alkohol und Drogen können rasch in Arbeitsunfähigkeit, sozialen Abstieg und Wohnungslosigkeit münden. Für die USA nimmt man an, dass sich ein beachtlicher Prozentsatz der Obdachlosen aus ehemaligen Vietnam-Soldaten zusammensetzt, die durch ihre schweren Traumatisierungen, Drogen und Alkohol in die Obdachlosigkeit gerutscht sind.

Isolation

Wer extreme Erfahrungen gemacht hat, trifft mit seinem Erleben und seinen Reaktionen häufig auf Unverständnis der Umgebung. Häufig auch auf Unverständnis in sich selbst, denn auch für Betroffene ist das, was geschieht, schwer oder teils überhaupt nicht erklärbar. Das nährt ein Gefühl, anders zu sein, nicht dazuzugehören. Sowohl das Erlebte, als auch die Folgen des Erlebten führen zu dem Eindruck, dass man einmalig sei, einfach nicht verstanden werden könne, dass niemand diese Erfahrungen teilt. Auch die vorher gelebten - und in der Umwelt erlebten - Werte, Bedeutungen und Bezüge werden rissig oder zerfallen angesichts der Grenzerfahrung. Vorher so wichtiges erscheint banal, Grundfragen der menschlichen Existenz und der Menschlichkeit drängen in den Vordergrund, das alte Bezugssystem verliert seine Bedeutung. Alles wird hinterfragt und muss neu gefunden werden. So fällt man aus der menschlichen Gemeinschaft und wird ein Vereinzelter. Bestenfalls im Kreise von Menschen, die ganz ähnliches durchlebt haben gibt es Möglichkeit, sich unter seinesgleichen zu fühlen, z.B. der chronische Schmerzpatient in der Selbsthilfegruppe, oder der ehemalige Soldat beim Soldatentreffen. Die anderen Betroffenen wissen, was mit Worten nicht mitteilbar ist. Sie kennen das Unsagbare in sich selbst. Aber die meiste Zeit sind vom Trauma betroffene in gewisser Weise allein und isoliert in sich, gibt es einen Bereich, den sie nicht mit anderen teilen (können).

Libidoverlust

Die Sexualität als organische Funktion liegt eher im Bereich der parasympathisch bestimmten Zeit, oder, anders gesagt, Entspannung ist förderlich für Lust und Genuss. Wohlfühlen und Empfindsamkeit können eine gute Ausgangsbasis sein. Auch Vertrauen und das Fallenlassen in die wirkenden Kräfte und Energien unterstützen eine erfüllte Sexualität. Alles dies vermag durch Traumatisierung beeinflusst werden, angefangen mit dem Vertrauen in ein „Du“, aber auch die Genussfähigkeit als solche. Wenn die Körperempfindung gedämpft ist, wird auch Berührung nicht mehr so deutlich und angenehm empfunden, und Entspannung ist vielen Betroffenen ohnehin eher fremd geworden. Das erklärt, dass Traumatisierung die Lust an der Lust erheblich mindern kann. Wenn die innere Aktivierung der aus dem Trauma stammenden Energien abgebaut werden kann, kommen Körperempfindung, Genuss und Entspannung von allein wieder zum Tragen.

Kampf/Flucht/Erstarrung versus Besänftigen und Befrieden

Die oben genannten Symptome ergeben sich teilweise aus den biologischen Grundreaktionen Kampf-Flucht-Erstarrung. Sie treten sowohl bei Männern wie auch bei Frauen auf. Jedoch gibt es Tendenzen zu Geschlechtsunterschieden. Während schon bei Kleinkindern Jungen angesichts von Frustration etwas mehr zu Wut neigen und Mädchen etwas häufiger mit Einfrieren (Erstarrung) reagieren, kann man sagen, dass Männer in Stresssituationen relativ rasch bis zu den biologischen Notsystemen hinunter einbrechen, während Frauen oft eine Zwischenstation besitzen, die der De-Eskalation auf sozialer Ebene. Im Gegensatz zum Rückzug der Männer findet sich hier die "tend and befriend"-Reaktion, also der aktive Versuch, das bedrohliche Gegenüber zu beruhigen, zu umsorgen und die "gute Beziehung" zu aktivieren, gegebenenfalls auch den Beschützerinstinkt anzusprechen, sowie Hilfe in Familie und Freundeskreis zu suchen, hier die Rettung suchend. Zwischen Männern und Frauen können die gegensätzlichen Strategien zu Missverstehen und Konflikten führen, wenn der Mann die Auseinandersetzung sucht und auf eine Frau trifft, die versucht zu beschwichtigen und die Harmonie in der Beziehung wiederherzustellen, um den Stress abzubauen.

Bindungsstörungen

Der einzige Weg in ein gutes Leben, hohe Widerstandskraft gegenüber Stress und guter Beziehungsfähigkeit ist die sichere Bindung. Für den Säugling ist sie eine biologische Notwendigkeit, ihr Fehlen oder starke Irritationen in diesem Bereich stellen für Kleinkinder massiven Stress dar, der krank machen kann, an dem Kinder sogar sterben können. Deshalb sind Störungen der Bindungssicherheit im Säuglingsalter eine traumatische Erfahrung, die chronische Spuren im reifenden Nervensystem und im Sozialverhalten hinterlässt. Je nach Art der Störung entstehen unterschiedliche, immer wiederkehrende Probleme in Beziehungen, besonders zu Partnern und den Kindern. Bindungsstörungen werden in der Regel weitergegeben, wenn sie nicht bearbeitet und gelöst werden können. 

Mehr dazu in:  Co´Med 08/2011, Harald Eisenberg: Durch Bindung ins Leben. Die Bedeutung der frühen Beziehung.

Auswirkungen auf das Berufsleben

Eine Energie, die unter der Inkaufnahme von Knochenbrüchen und Muskelabrissen in der Lage ist, ein Auto anzuheben oder eine einstürzende Zimmerdecke noch einige Augenblicke zu halten, bis die Kinder aus der Gefahrenzone sind, vermag bei fortdauernder Aktivierung im Berufsleben einen nicht aufzuhaltenden Vortrieb geben. Schließlich geht es für den Organismus ums Überleben! Da wird alles gegeben, und nicht anderes zählt dagegen, nichts kann einen bremsen. Auch die Aufbauleistungen nach dem zweiten Weltkrieg wurden angetrieben durch diese inneren Kräfte, die weitab von Gemütlichkeit und Gewerkschaftsmentalität zu schaffen vermögen ohne Stopp und Gnade. Entsprechend verständnislos reagieren von der Energie der Kampfreaktion getriebene Arbeitgeber oder Vorgesetzte auf Freizeitansprüche und das Geltendmachen individueller Bedürfnisse. Diese nämlich kennt ein in der Kampfreaktion getriebener Mensch nicht. Der Kämpfer spürt im Kampf weder Hunger, Durst, noch Schmerz oder den Drang nach Blasenentleerung. Obwohl sie daher schier unbegrenzt motiviert und einsatzbereit wirken, stoßen sie im sozialen Miteinander an die Grenzen. Aus ihrer Sicht sind Betroffene verständnislos für die Beliebigkeit und den Mangel an Engagement der anderen, diese wiederum reagieren mit Verweigerung, sich angegriffen fühlen, Boykott oder Erkrankung auf die Ansprüche. Der Dialog ist oft keiner; beim Film würde man auch sagen: die Schnitte sind zu hart und zu plötzlich. Auch im Privatleben wird der Betreffende konfrontiert mit den anders gelagerten Bedürfnissen und Prioritäten seiner Umwelt. Eine weitere Grenze liegt im eigenen Körper. Obwohl der Organismus oft erstaunlich lange leistungsfähig bleiben kann, werden die gewöhnlich ignorierten Folgen der Überforderung häufig ihren Tribut in Form von schweren Krankheiten fordern. So kann oft ein Herzinfarkt das traurige Ende sein, ein Schlaganfall die große Bremse werden. Manchmal ist das Spiel mit dem Leben akzeptiert von demjenigen, weil er sich nicht anderes vorstellen kann als die Erfüllung der Arbeit, die Fortsetzung des Überlebenskampfes; da kann Ruhestand und Pensionierung gar zu einer Bedrohung werden, auf die keine Antwort gefunden werden kann.
Auch herausragende Personen im Blickpunkt der Öffentlichkeit werden häufig „motiviert“ von inneren Kräften, die ihren Ursprung in persönlichen oder familiären Traumata finden. Sie folgen einem inneren Diktat, oft in idealistischer Form sich einsetzend für die Verhinderung von Ereignissen der Art, wie sie selbst erlitten haben, also eine Art transformierter Form von Bewältigungsarbeit. Es bleibt fraglich, ob dies auch zur individuellen Befriedung führt, aber es trägt sicher dazu bei, solange Erfolge erlebt werden und Fortschritt möglich ist. Auch hier ist ein Leistungsvermögen, eine Konstanz, oft auch eine Verbissenheit zu finden, die jenseits dessen liegt, was man noch als „normal“ bezeichnen wird; eben ein Diktat, das keine Relativierung und keine Kompromisse kennt.

Wenn bei einem trauma-belasteten Menschen nicht die Kampfreaktion, sondern die Ohnmachtserfahrung im Vordergrund steht, wird die Erwerbstätigkeit möglicherweise sehr erschwert. Falls jemand eine Stelle findet, die wenig fordert, zuverlässig zu erfüllen ist, übersichtlich strukturiert oder begrenzt in Umfang und Verantwortung, kann Stabilisierung stattfinden. Selbstvertrauen wird gestärkt und damit wächst auch die Belastbarkeit. Jedoch werden solche Arbeitsplätze immer seltener, allgemein steigen die Anforderungen an Flexibilität und Belastbarkeit immer weiter. Dann kann es immer wieder zu inneren und äußeren Einbrüchen kommen. Die Toleranz, schwierige oder belastete Mitarbeiter zu tragen nimmt dramatisch ab, sinnvolle Hilfestellungen werden selten angeboten. Das Gefühl eigener Unzulänglichkeit trägt leicht bei zur Entstehung von Angsterkrankungen, psychosomatischen Erkrankungen, Alkoholabhängigkeit, die Funktionalität im Beruf kann nur noch mühevoll aufrechterhalten werden und frißt alle anderen Lebensbereiche auf. Häufig kommt es infolge Personalabbau, betrieblichen Umstrukturierungen und erweiterten Anforderungen bei verringerten Freiräumen und Pufferzonen zur Entlassung oder Arbeitsunfähigkeit. Der Weg in die Frühverrentung wird immer schwieriger, so dass ein quälender und belastender Weg durch Arbeitsämter, erfolglose Bewerbungen, häufig sinnlose Qualifizierungsmaßnahmen vor den Betroffenen liegt, flankiert von staatlichem Schönreden der Gegebenheiten und sogar Schuldzuweisungen und persönlichen Demütigungen, die viele Arbeitslose bei der "Bundesagentur für Arbeit" durch ihre Sachbearbeiter und auch anderswo erleben müssen. Der Weg heraus aus der Abwärtsspirale, zu der die Strukturen und Prioritäten unserer Gesellschaft erheblich beitragen, ist schwer und auch von Zufällen und Glücksfällen abhängig.

 

Letzte Bearbeitung dieser Seite: 18.03.2012
Falls Sie keine Navigationsleiste sehen, rufen Sie bitte die Startseite auf:


 www.traumatherapie-ruhr.de